
Es gibt viele versteckte Kosten in der Elektronik, für die wir nicht bezahlen, auch wenn wir es gerne wollten. Es ist so ähnlich, wie mit dem Fleisch- viele essen es gerne, obwohl man die Fleischindustrie ethisch und umwelttechnisch sehr gut in Frage stellen kann. Beim Handy sind die versteckten Kosten diverser und weiter entfernt- am weitesten und gleichzeitig am zerstörerischsten ist der Bergbau (inkl. der Verarbeitung der Metalle und Mineralien), den wir uns in der jetzigen Form nicht leisten können.
Er zerstört Wälder und Artenvielfalten in einem bedrohlichen Maße, verbraucht viel Frischwasser, wo eh schon meist zu wenig ist, und trägt (inkl. der Verarbeitung) zu 10-15% zu den C02 Emission bei. Die kontaminierten Abwässer zerstören immer wieder ganze Ökosysteme.
Davon sind die lokalen Bevölkerungen direkt betroffen und leiden unter Zwangsumsiedlungen, Gewalt, Armut und Kinderarbeit. Dieses Jahr steigt die Zahl der in Armut lebenden Menschen seit 1998 das erste Mal wieder, was bedeutet dass mehr junge Menschen ihre Kindheit in miserablen Arbeitsverhältnissen verbringen.
Es gibt keine umfassende Gesetzgebung, die den Menschen in vielen rohstoffreichen Ländern das Recht auf eine gesunde Umwelt, Trinkwasser, Lebensunterhalt, traditionelle Bräuche oder das Recht auf Informationen und frei von Einschüchterung und Gewalt zu sein gewährt.
Wir brauchen ökologische und soziale Standards. Dass eine Kluft zwischen diesen zivilgesellschaftlichen Erwartungen und den Praktiken im Bergbau besteht, haben die vorstandsvorsitzenden Personen führender Bergbauunternehmen schon vor mehr als 20 Jahren öffentlich eingeräumt und über die Jahre wurden zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen. Untersuchungen der Responsible Mining Foundation in den letzten 6 Jahren haben jedoch gezeigt, dass die Lücke zwischen den Normen der Bergbaubranchen und der Gesellschaft weiterhin groß ist: Sie hinkt quasi weiterhin beim Übergang von der Ambition zur Umsetzung.
Während jetzt schon Mensch und Natur unter dem Bergbau in der heutigen Dimension unverhältnismäßig viel leiden, explodiert der Ressourcenbedarf (des globalen Nordens). Wir werden 2030 5x so viele seltene Erden brauchen. Der Bedarf an z.B. Kupfer, Aluminium, Kobalt und Lithium wird nach heutigem politischen Handeln noch viel größer sein. Der hohe Bedarf wird leider nicht in Frage gestellt, sondern für die Mobilitäts- Energie und Digitalisierungswende vorausgesetzt. Zur jährlichen Rede zur Lage der EU Mitte September betont von der Leyen, dass Lithium und seltene Erden bald wichtiger sein werden als Öl und Gas. Außerdem darf die EU nicht mehr so stark abhängig von China sein. Vor allem die Versorgungssicherheit steht im Vordergrund. Leider keine Worte zu den erwähnten ökologischen und sozialen Problemen des Bergbaus.
Die Versorgungssicherheit steht schon lange im Vordergrund. Seit 2010 gibt es in Deutschland eine Rohstoffstrategie , die mit 3 Säulen und 17 Maßnahmen die Rohstoffimporte für die deutsche Industrie sichert. Deutschland ist eines der Hauptverbraucher von Metallen und Mineralien weltweit. In der Rohstoffstrategie spielen Umweltprobleme leider bisher keine Rolle. 2020 wurde diese überarbeitet und der Tenor ist weiterhin die Versorgungssicherheit- sonst wird das nichts mit der Energie- Digitalisierungs- und Mobilitätswende.
Gefühlt ist das einzige, was sich wirklich geändert hat, die Terminologie des Bergbaus. Es wird von „Green Mining“ oder „Climate-Smart-Mining“ geredet, während es zum Großteil sogar an grundsätzlich ersten Schritten der Transparenz mangelt:
In einer Untersuchung von der Responsible Mining Foundation zu Standorten, die immerhin schonmal auf dem Weg zur Umsetzung sind, legen 75% keine Daten zur Luftqualität und 76% keine Daten zur Wasserqualität offen.
Wie sollen die lokalen Gemeinschaften oder auch die Staaten kontrollieren, ob Standards erfüllt werden, wenn die Unternehmen die Daten nicht offen legen (müssen)?
Um den Elefanten endlich zu benennen, der im Raum steht: Wir müssen weniger neue Rohstoffe verbrauchen! Wir müssen uns endlich überlegen wofür wir die Rohstoffe einsetzen und wofür nicht. Während wir uns darüber Gedanken machen protestieren in vielen rohstofffördernden Ländern des globalen Südens Menschen gegen den Bergbau, weil ihnen die direkten Probleme natürlich schon lange bewusst sind. Warum hören wir davon so wenig? Vielleicht weil aktuelle, nahe Krisen, wie der Ukrainekrieg, die anderen im Lautstärkepegel deutlich übertreffen. Vielleicht auch, weil viele UmweltschützerInnen im Zusammenhang mit dem Bergbau ermordet werden. Im Bergbau passieren anteilig die meisten Morde gegen protestierende Menschen. Seien es Menschen in politischen Ämtern oder direkt betroffene, die sich gegen die Ausbeutung mit Protesten zur Wehr setzen.
Diese Tatsachen müssen auch in eine Rohstoffstrategie einfließen. Die Abhängigkeit von China war schon lange bewusst und sie wurde in der Vergangenheit nicht reduziert, sondern hat nur zugenommen. Wir können uns nun nicht auf eine Diversifizierung der Ausbreitung verlassen und wieder den Probleme, die das mit sich bringen wird, viel zu wenig Beachtung schenken. Wir brauchen einen kritischen Blick auf den bisherigen Umgang und vielleicht eine ganz andere Strategie- z.B. eine zukunftsfähige Strategie mit deutlich mehr Teilnehmern, als nur das Wirtschaftsministerium. Wir brauchen die breite Politik, genauso wie die Wissenschaft und Zivilgesellschaft um unsere Nachfrage in Frage zu stellen und eine ganzheitliche Strategie zu finden. Wer soll vom Rohstoffhandel profitieren und wer leiden? So wie der Rohstoffhandel gerade funktioniert leiden alle- wir nur später, wenn der Klimawandel weiter fortgeschritten und die weltweite soziale Schere noch breiter geworden ist.
Bild: www.freepik.com
Karikaturen: https://cartoons.pub
Hintergund
Responsible Mining- Closing the gap:
https://www.responsibleminingfoundation.org/closing-the-gaps/
Powershift Podcasts Folge 30&32:
https://power-shift.de/medien/
Südwind Newsletter Oktober 2022
Leiden-Delft-Erasmus Centre for Sustainability Circular Industries Hub – Critical materials, green energy and geopolitics:
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